Einmal genauer hingesehen: hausInvest europa (980701)

Aktuell findet eine Diskussion statt zwischen dem Finanzministerium unter Schäuble einerseits und dem Bundesverband BVI der Investmentfondsbranche andererseits. Dabei sind zwei Dinge strittig:

  1. Soll eine Kündigungsfrist für offene Immobilienfonds eingeführt werden? Und wenn ja, wie lange soll sie sein?
  2. Soll eine Mindestanlagedauer für offene Immobilienfonds eingeführt werden? Und wenn ja, wie lange soll sie sein?

Das Finanzministerium forder eine Kündigungsfrist von 6 Monaten und eine Mindestanlagedauer von 2 Jahren. Beides ist dem BVI zu lange. Immerhin könnte man dann Anteile an offenen Immobilienfonds nicht mehr börsentäglich zurückgeben. Siehe auch den Handelsblatt-Artikel: „Wenn der Fonds zur Falle für den Anleger wird.“

Ich selbst stehe auf der Seite des Schäuble-Ministeriums. Denn offene Immobilienfonds haben derzeit eine sehr seltsame Zwitterposition, indem sie einerseits in ein extrem illiquides Segment investieren, eben Immobilien, auf der anderen Seite aber für den Anleger ein extrem liquides Anlagevehikel darstellen sollen. Das ist etwa so, als würde man ein Flugzeut konstruieren wollen, das ganz fest auf dem Boden steht und gleichzeitig 1000 m hoch fliegen kann.

Durch die Einführung von Kündigungsfristen und Mindestanlagedauern wird dem Anleger die Illussion genommen, dass es sich bei offenen Immobilienfonds um eine liquide Anlageform handelt. Wie gesagt: sie ist es ja derzeit irgendwie, irgendwie aber auch nicht. Eben ein hoch fliegendes Flugzeug, das gleichzeitig am Boden fest verankert ist.

Um das einmal etwas klarer zu machen, habe ich mir den hausInvest europa der commerzbank Gruppe herausgegriffen (WKN 980701)…

Immerhin hat der hausInvest europa (980701) den Scope Investment Award 2009 für den besten Offenen Immobilienfonds mit dem Zielmarkt Europa gewonnen.

Sieht man sich das Factsheet vom März 2010 dieses offenen Immobilienfonds an, dann wird ein Fondsvermögen in Höhe von 10.895,3 Mio Euro angegeben. Darunter steht noch zwei weitere Zahlen:

  • Grundvermögen (d.h. Grudnstücke und im Bau befindliche Objekte, sowie Immobilien): 10.215,6 Mio Euro
  • Bruttoliquidität (Bankguthaben und ähnliches): 3.078,8 Mio Euro.

Das heißt: zum 31. März 2010 waren 28,25 Prozent des Vermögens NICHT in Immobilien angelegt, sondern lag – wenn man so will – einfach auf Bankkonten herum.

Die große Frage an dieser Stelle ist, ob sich ein typischer Anleger in den hausInvest europa dessen bewusst ist, dass etwas weniger als ein Drittel seines Geldes eben nicht in Immobilien investiert ist, sondern reines Geldvermögen ist.

Meiner Erfahrung nach kann ich sagen, dass nur die wenigsten Privatanleger, die in einen offenen Immobilienfonds investiert haben und mit denen ich gesprochen habe, sich dessen bewusst sind. Fast alle denken: „Naja, das ist ein Fonds, der in Immobilien investiert, also wird wohl fast 100% meiner Anlagesumme in Immobilien angelegt sein.“

Wie wir eben gesehen haben, ist das nicht der Fall.

Hohe Liquidität schmälert die Renditeerwartung

Warum ist es wichtig, dies zu wissen? – Weil durch einen hohen Liquiditätsanteil natürlich die zu erwartende Rendite geschmälert wird.

Nur einmal als hypothetische Rechnung: Nehmen wir einmal an, wir hätten einen offenen Immobilienfonds, der 28 Prozent des Fondsvermögens auf Bankkonten hält und der Rest in Imobilien angelegt ist. Ich nehme weiter – nur einmal hypothtisch – an, dass die Immobilien eine Netto-Rendite von 5% pro Jahr abwerfen. Bei Tagesgld- und Bankkonten kann man heutzutage mit etwa 1% Rendite rechnen.

Jetzt darf man aber natürlich nicht die laufenden Fondskosten vergessen. Beim hausInvest europa belaufen sich die jährlichen Verwaltungskosten auf maximal 1% pro Jahr. Ich gehe einmal für unsere hypothetische Rechnung von einer jährlichen Kostenbelastung in Höhe von 1% p.a. aus.

Dann ergeben sich folgende Netto-Renditen nach Kosten:

  • für den Immobilienanteil im (hypothetischen) Fonds-Vermögens: 5 – 1 = 4%
  • für den Liquiditätsanteil im (hypotethischen) Fonds-Vermögen: 1 – 1 = 0%

Damit ergibt sich für den (hypothetischen) Fonds insgesamt eine zu erwartende Rendite von 2,88%. Denn

28% x 0% + 72% x 4% = 2,88%

Man kann die Sache auch anders herum drehen, indem man fragt: Wenn der Liquiditätsanteil 28% beträgt, wie hoch muss die Rendite der Immobilien sein, damit für den Anleger unterm Strich 4% herauskommt?

Die Antwort lautet: Der Immobilienanteil muss eine Rendite von 6,56% erzielen, damit der Anleger unterm Strich (nach Kosten) 4% erwarten darf. Und dann gehen natürlich nach die Steuern weg.

Auch wenn die genauen Konditionen beim hausInvest möglicherweiseetwas anders sind, so sollte sich ein Anleger hier doch fragen, ob er es für realistisch hält, dass die Immobilien im Fondsvermögen eine Rendite von 6,56% vor Kosten erwirtschaften können. Sofern er natürlichmit seinem Investment hier mindestens 4% vor Steuern erwartet. Wer das für realistisch hält, ist mit dem Fonds gut bedient. Wer das nicht für realistisch hält, sollte sich vielleicht nach einer anderen Anlageform umsehen.

Fremdkapital erhöht das Risiko

Es kommt aber noch eine Sache hinzu. Das Fondsvermögen des hausInvest europa beläuft sich – wie gesagt -zum 31.03.2010 auf 10.895,3 Mio Euro. Davon gehen 3.078,8 Mio in die Liquidität (28,25%) und 10.215,6 Mio Euro in Immobilien (93,76%).

Diese Zahlen sind etwas merkwürdig, denn:

Liquidität (3078,8) + Immobilien (10.215,6) = 13.294,4 Mio Euro.

Wenn das gesamte Fondsvermögen aber nur 10.895,3 Mio Euro beträgt, dann hat man hier noch eine Differenz von 2.399,1 Mio Euro.

Dieser Differenzbetrag wird im Geschäftsbericht etwas besser aufgeschlüsselt ind „Verbindlichkeiten und Rückstellungen“. Ein Großteil davon stellen also Kredite dar.

Bezieht man diese 2.399,1 Mio Euro aufs Fondsvermögen, dann sind das 22 Prozent. Immer wieder habe ich Privatanleger gefragt, ob sie wissen, dass bei einem offenen Immobilienfonds auch mit Fremdkapital gearbeitet wird. Die Antwort war fast immer: Nein, das glauben sie nicht.

D.h. ein typischer Privatanleger, mit dem ich bisher darüber gesprochen habe, meint: Innerhalb eines offenen Immobilienfonds kommt nur Eigenkapital zum Einsatz, Fremdfinanzierungen kommen dabei nicht vor. Auch das ist falsch. Fast jeder offene Immobilienfonds hat Fremdkapitalquoten.

Interessanterweise ist die exakte Fremdkaptialquote im Factsheet des hausInvest europa ja nicht aufgezeigt. Ein oberflächlicher Leser des Factsheets merkt vielleicht nichts von dem oben vorgerechneten Differenzbetrag. Immerhin kommen beim hausInvest europa bis zu 22 Prozent Fremkapital zum Einsatz.

Fremdkapital zu verwenden, ist eine Methode, um Renditen (wie man sagt) zu hebeln. Es macht die Sache aber auch deutlich riskanter. Denn nicht nur die Gewinne werden gehebelt, sondern auch die Verluste.

Hohe Liquidität plus Fremdkapital ist paradox

Meiner Erfahrung nach, wissen die wenigsten Privatanleger über folgendes Bescheid:

  • Viele offene Immobilienfonds haben Liquiditätsreserven von bis zu 30%,
  • Viele offene Immobilienfonds haben Fremdkapitalquoten von bis zu 30%.

Dass die wenigsten Anleger darüber Bescheid wissen, laste ich dem Vertrieb offener Immobilienfonds an. Viele Anlaberater (ob bewusst oder unbewusst) suggerieren:

  1. Wenn man in einen offenen Immobilienfonds anlegt, geht 100% des Geldes in Immobilien.
  2. Dass es sich um reine Eigenkapitalfonds handelt und keine Kredite noch hinzu kommen.

Beides ist in der Regel nicht richtig. Und beides sind wichtig Punkt zu wissen. Denn an sich ist es ja absurd, in etwa denselben Betrag in der Kasse zu halten, den man über Fremdkapital aufgenommen hat.

Man stelle sich einmal eine Familie vor, die vor der Entscheidung steht, sich eine Immobilie anzuschaffen. Tatsächlich hat sie genug Eigenkapital um das gewünschte Häuschen ohne Kredite zu erwerben. Wäre es nun sinnvoll, sagen wir, 20% doch fremdzufinanzieren, nur damit genau derselbe Betrag einfach nur auf dem Girokonto herumliegt? Wohl kaum.

Genau das, was man wahrscheinlich für sich selbst als absurd bezeichnen de, geschieht aber innerhalb der meisten offenen Immobilienfonds.

Und warum geschieht das? Wegen des bereits beschriebenen Paradoxons, das offene Immobilienfonds darstellen.: Sie investieren in ein extrem illiquides Anlagesegment und wollen gleichzeitig extrem liquide sein.

Deswegen ist es meiner Meinung nach klar, dass dieses Paradoxon zumindest teilweise aufgelöst wird durch Einführung von Kündigungsfristen und Mindestanlagefristen.

5 Kommentare
  1. Eugen Schaufler
    Eugen Schaufler sagte:

    ein hervorragend recherchierter Bericht. Sollten die Leute lesen, bevor sie diese Anlage tätigen. Die Erkenntnis kommt meistens zu spät. Da es aber um Geld (Provisionen) geht, wir so ein Objekt in höchsten Tönen gelobt. Allein die unwiderrufliche Kündigungszeit von 12 Monaten-dient ja nur zum Schutz des Kunden- ist zu bedenken. Auch ist es in vielen Fällen so, dass der Wert nach 5 Jahren meisten unter den EK liegt. Diese Novum schmälert natürlich die jährliche Rendite. Mein Kompliment zu Ihren Ausführungen.

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    • Peterreins
      Peterreins sagte:

      Vielen Dank. Und ja, vielen Anlegern kommt die Erkenntnis zu spät. Zuerst wird auf die schönen Versprechungen des „Anlageberaters“ gehört, und erst danach kritisch überprüft. Dann ist aber sehr häufig schon das Kind in den Brunnen gefallen, wie man so sagt. Die Frage ist natürlich, wem man überhaupt trauen kann. In den Medien wird es beispielsweise oft so dargestellt, dass Provisionen „böse“ sind – Beratung auf Honorarbasis „gut“. Jetzt habe ich es aber in letzter Zeit schon mehrfach erlebt, dass angeblich „neutrale“ Honorarberater zu direkt unseriösen Finanzprodukten geraten haben.

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  2. Dieter K.
    Dieter K. sagte:

    bin heute zufällig auf diesen Artikel gestossen, da ich im neuem Jahr einen größeren Betrag in diesem Fonds investieren wollte. Hier wird wie auch bei anderen Fonds die Unwissenheit der deutschen Anleger gnadenlos ausgenutzt. Nicht umsonst werden in Deutschland mit die höchsten Fondsgebühren in Rechnung gestellt. In den USA würden alle Fonds ab ca. 1,5% aufwärts geschlossen. Ich werde mich wohl nach einem ETF auf globale Reits umsehen müssen.

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