Was uns Thomas R. Malthus über Prognosen lehrt

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Irgendjemand sagte einmal: „Prognosen sind dann besonders schwierig, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen.“  So lustig dieser Satz ist, so seltsam ist es, dass eine große Mehrheit der Anleger einfach nicht von Kapitalmarktprognosen lassen kann.

Manche Zusammenhänge scheinen auch mehr als offensichtlich zu sein. Nehmen wir Öl als Beispiel. Seit Jahren steigt tendenziell der Ölverbrauch, die Ölreserven sind begrenzt. ALSO ist es nur logisch, dass Öl knapp uns somitnoch teurer werden wird.

Dergleichen „logische“ Schlüsse gibt es zuhauf. Man muss nur den Wirtschaftsteil einer Zeitung aufschlagen, oder einen sogenannten „Kapitalmarkt-Experten“ in n-tv anhören, und man kann sich vor lauter Logik kaum retten.

Wer mich bzw. dieses Weblog kennt, weiß, dass ich keinen Pfifferlich auf derartige „Logik“ gebe. Ein sehr nettes Besipiel in diesem Zusammenhang stellt die Theorie des britischen Ökonomen Thomas Robert Mathus dar, die 1798 veröffentlicht wurde…

Thomas R. Maltus schrieb 1798 seinen „Essay on the principle of population“. Darin legte er dar, dass die Bevölkerung exponentiell wächst, während sich landwirtschaftliche Erträge bestenfalls linear steigern lassen. Was ist damit gemeint?

Exponentielles und lineares Wachstum

Nehmen wir an, dass in einem bestimmten Land jede Familie im Durchschnitt 4 Kinder hat. Und das Generation für Generation. Dann wird sich die Bevölkerung dieses Landes nach 200 Jahren fast verdoppelt haben.

  • 100% = Bevölkerungszahl am Anfang
  • Nach 25 Jahren gibt es 25% mehr Menschen = 125% der ursprünglichen Bevölkerung
  • Nach 50 Jahren sind es wieder 25% mehr = 156,25% der ursprünglichen Bevölkerung
  • Nach 75  Jahren sind es wieder 25% mehr = 195,31% der ursprünglichen Bevölkerung
  • Nach 100  Jahren sind es wieder 25% mehr = 244,14% der ursprünglichen Bevölkerung
  • Nach 200  Jahren sind es wieder 25% mehr = 596,05% der ursprünglichen Bevölkerung.

Nehmen wir weiter an, dass sich mit großen Anstrengungen die landwirtschaftlichen Erträge alle 25 Jahre um 25% der ursprünglichen Produktion steigern lässt, dann ergibt sich:

  • 100 Porduktions-Einheiten = Landwirtschaftliche Produktion am Anfang
  • Nach 25 Jahren kommen 25 Produktions-Einheiten dazu  = 125% des ursprünglichen Ertrags
  • Nach 50 Jahren kommen weitere 25 Einheiten dazu = 150% des ursprünglichen Ertrags
  • Nach 75 Jahren kommen weitere 25 Einheiten dazu = 175% des ursprünglichen Ertrags
  • Nach 100 Jahren kommen weitere 25 Einheiten dazu = 200% des ursprünglichen Ertrags
  • Nach 200 Jahren kommen weitere 25 Einheiten dazu = 300% des ursprünglichen Ertrags

Während sich also die Bevölkerung nach 200 Jahren etwa versechsfacht hat, hat sich die landwirtschaftliche Porduktion nur verdreifacht. Anders formuliert: Für jeden Menschen stehen nach 200 Jahren nur noch halb so viele Lebensmittel zur Verfügung als am Anfang.

Hungersnöte schienen unausweichlich und Ackerland als bestes Investment

Halb so viele Lebensmittel: das bedeutet entweder eine drastische Verschlechterung der Lebensumstände oder sogar Hungersnöte.

Diese düstere Konsequenz ergibt sich  sozusagem mit mathematischer Gewissheit. Nach Malthus steuern wir fast notwendigerweise in eine Lebensmittelverknappung. Die logische Schlussfolgerungen sind:

  • Lebensmittelpreis müssten stark steigen.
  • Ackerland müsste immer wertvoller werden.
  • Weite Teile der Bevölkerung müssten immer mehr verarmen.

Diese Prognose ergab sich um 1800 herum mit sehr logischen Argumenten.

Und die Entwicklung von 1800 bis etwa 1847 gab Malthus mehr als recht. In dieser Zeit verarmten große Teile der Bevölkerung und es kam immer wieder zu großen Hungersnöten.

Man stelle sich also vor, man hätte im Jahre 1847 einen größeren Geldbetrag anzulegen. In Kenntnis der Theorie von Malthus und in Anbetracht der fst 50 vergangenen Jahre, in der sich seine Theorie empirisch zu bestätigen schien: Wäre es da nicht das Klügste gewesen, all sein Geld in Ackerland zu investieren?

Nach menschlichen Ermessen, wäre es um 1847 mehr als logisch gewesen, Ackerland die besten Prognosen zu geben.

Logische Theorien und das Unerwartete

Und trotz aller Logik: Ackerland wäre damals genau das Falsche gewesen. Denn von 1847 bis 1894 verlor der Getreidepreis über 80%. 1847 bekam man für ein amerikanisches Bushel Getreide 3 USD, 1894 gerade noch 50 Cent.

Es trat also eine Entwicklung ein, genau entgegengesetzt zu dem, was Malthus‘ Theorie hätte erwarten lassen. Und das sogar obwohl die Bevölkerung im 19. Jahrhundert tatsächlich exponentiell wuchs.

Der Theorie kam nämlich etwas Unerwartetes in die Quere. Nämlich die industrielle Revolution und damit auch die industrielle Agrarnutzung.

Und das ist die Crux aller logisch klingenden Theorien und Prognosen: Niemand hat das Unerwartete im Griff.

1 Kommentar
  1. TÜLAI
    TÜLAI sagte:

    Ihrem Blog fehlen noch Kategorien wie „Fairness im Welthandel“, „soziale Gerechtigkeit“, „Verteilungsgerechtigkeit“, anderenfalls hätte ich meinen Hinweis dort hinterlegt.

    Für Leute, die Fernsehen schauen:

    http://www.arte.tv/de/woche/244,broadcastingNum=1222239,day=4,week=16,year=2011.html

    Dienstag, 19. April 2011 um 20.15 Uhr

    Wiederholungen:
    28.04.2011 um 10:00
    Dritte Welt im Ausverkauf
    (Frankreich, 2010, 90mn)
    ARTE F
    Regie: Alexis Marant

    Mit der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise verschärft sich auch die ungleiche Nahrungsmittelverteilung auf der Welt. Landwirtschaftliche Nutzflächen werden zu profitablen Investitionen. So verkaufen arme Länder Afrikas oder Asiens ihre wertvollen Flächen an Investoren aus reichen Ländern und Schwellenländern und werden immer abhängiger von ausländischer Hilfe. Der Dokumentarfilm zeigt, dass die Zahl der Hungerkatastrophen wächst und sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet.
    In den letzten Jahren erschüttern Nahrungsmittel- und Finanzkrisen die Welt. Einige ihrer Nebenwirkungen blieben jedoch trotz ihrer Dramatik bislang weitgehend unbekannt. So gibt es inzwischen einen weltweiten Wettlauf um landwirtschaftliche Nutzflächen. Innerhalb weniger Monate haben 20 Millionen Hektar den Besitzer gewechselt. Und in absehbarer Zukunft werden es noch mehr werden. Diese Zahlen bereiten auch der UNO Sorgen. Jacques Diouf, Vorsitzender der UNO-Organisation FAO , warnt vor dem „Risiko eines neuen Agrarkolonialismus“.
    Die Käufer sind Investoren aus reichen Ländern und Schwellenländern wie Japan, China und den Golfstaaten. Sie wollen die Nahrungsmittelversorgung im eigenen Land gewährleisten. Folglich unterstützen die Regierungen ihrer Länder die folgenreichen Transaktionen. Doch auch Banken und Hedgefonds betätigen sich als Käufer, weil sie den Ankauf von landwirtschaftlichen Nutzflächen als rentabelste Kapitalanlage des 21. Jahrhunderts betrachten. So findet seit einiger Zeit ein bisher ungeahnter Ansturm auf die besten Agrarflächen der unterentwickelten Länder statt. Genau in diesen Ländern – im Sudan, in Senegal, auf den Philippinen oder in Pakistan – gab es 2008 große Hungersnöte. Und trotzdem verkaufen Staaten wie Kambodscha oder Äthiopien, die auf internationale Hilfe angewiesen sind, um ihre Bevölkerung zu ernähren, wertvolle Agrarflächen an ausländische Investoren.
    Der Dokumentarfilm verdeutlicht, dass der Ankauf von Land ein globales Phänomen ist. In Paris, Rom und New York, in Äthiopien, Argentinien, Uruguay und Saudi-Arabien geführte Interviews mit Investoren und Regierungsvertretern geben Einblick in ein zynisches „Monopoly“-ähnliches Spiel mit dramatischen Folgen. Zu Wort kommen dabei auch Kleinbauern aus den vom Verkauf betroffenen Ländern, die oft ohne Entschädigung enteignet werden.
    – – – – – – – – – – – – –
    Im Februar 2011 sendete der „Deutschlandfunk“ einen Beitrag zur selben Thematik. Das Skript ist als PDF-Datei verfügbar:

    Daraus ein paar Zitate:
    S. 16:
    „Da es in Äthiopien kein Privateigentum an Land gibt, sondern alles Land dem Staat gehört, kann die Regierung es an Investoren vergeben.“

    S. 17:
    „Vor 40 Jahren waren noch 40 Prozent Äthiopiens mit Wald bedeckt, heute sind es knapp drei Prozent. Und täglich wird es weniger.“

    S.19:
    „… Weltagrarbericht gelesen, in dem es heißt, dass kleinbäuerliche Landwirtschaft wesentlich klimafreundlicher sei als die Agro-Industrie.“

    S. 20
    “ >> … Ein Blick auf die Welternährungssituation zeigt, dass die weltweiten Bestände für weniger als 70 Tage reichen. …“<<

    22.02.2011 · 19:15 Uhr
    land grabbing
    Die Von Christian Brüser
    Die Weltbevölkerung nimmt zu, fruchtbares Ackerland weltweit ab. Es versalzt, degeneriert infolge des Klimawandels zu Wüste oder wird verbaut. In den letzten 20 Jahren hat sich die weltweit verfügbare Agrarfläche pro Kopf halbiert. Bis 2050 wird sie sich noch einmal halbieren und das bedeutet: Lebensmittel werden knapp.Ölstaaten wie Saudi-Arabien, die wenig Agrarland, aber viel Geld haben, leiten eine neue Form des Kolonialismus ein: Sie erwerben oder pachten riesige Ackerflächen in Afrika und Asien. In Äthiopien beispielsweise werden nun auf den Hightech-Plantagen ausländischer Investoren Tag fürTag Tonnen herrlich frisches Gemüse geerntet, das innerhalb weniger Stunden auf den Märkten der Golfstaaten landet, während im Land selbst 6 Millionen Menschen unter Hunger und Unterernährung leiden. Für internationale Investmentfonds bedeutet die Verknappung von Agrarland ein hochprofitables Geschäft.
    Produktion: DLF/ORF 2011

    Manuskript zur Sendung als [pdf]
    http://www.dradio.de/download/133295/

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