Finanztest und Geldanlage in Fonds

In der aktuellen Finanztest-Ausgabe 3/2010 stehen Artikel zu Investmentfonds und wie man sich eine Depot mit Fonds zusammenstellen sollte. Darin Vorschläge darin finde ich größtenteils gut, manches finde ich aber auch unglaublich naiv und fragwürdig…

In dem Artikel „Gut aufgestellt“ beschreibt der Finanztest, wie man als Anleger ein Investmentfonds-Depot zusammenstellen sollte. Nachfolgend skizziere ich die Methodik, die der Finanztest für das Zusammenstellen einen Fonds-Depots empfiehlt:

  1. Der Anleger sollte sich über seine Risikobereitschaft Gedanken machen.
  2. Der Anleger sollte für sich entscheiden, für welche Anlagedauer er sein Geld anlegen möchte. Der Finanztest sagt, dass man nur in Fonds investieren sollte, wenn man einen Anlagehorizont von mindestens 5 Jahren hat.
  3. Auf der Basis der geschätzten Risikoneigung und des persönlichen Anlagehorizontes soll man dann eine Soll-Aufteilung festlegen zwischen Aktien und Renten.
  4. Erst wenn die Soll-Aktien- und Soll-Rentenquoten festgelegt sind, sollte man konkrete Fonds auswählen. Der Finanztest bezieht nicht Position, ob Indexfonds und aktiv gemanagten Fonds vorzuziehen sind.
  5. Jährliches antizyklisches Re-Balancing: Nachdem man sein Fonds-Depot so strukturiert hat, empfiehlt der Finanztest, einmal im Jahr die Ist-Quoten den Soll-Quoten anzupassen. Sind beispielsweise Aktien stark gefallen, dann sollte man Aktienfonds nachkaufen und Rentenfonds verkaufen.

Antizyklisches  Re-Balancing ist psychologisch schwierig

Gut an dieser Methodik finde ich das regelbasierte, strukturierte Vorgehen. Insbesondere die Idee des Re-Balancing ist sehr wichtig und wird, meiner Erfahrung nach, von einigen Ratgebern regelmäßig vergessen. Übrigens empfiehtl David Swensen diese Art von Re-Balancing in seinem Buch „Erfolgreich investieren„. Und die Grundideen dazu finden sich bereits in dem Buch „Intelligent Investieren„, das Benjamin Graham (dem Lehrmeister von Warren Buffet) in den 1930-er Jahren geschrieben hat.

Ein wenig fängt aber hier bereits meine Kritik an. Denn der Finanztest verliert kein Wort darüber, dass das Re-Balancing fast allen Anlegern -ich möchte mal sagen- gegen die Natur ist. Es fällt den meisten sehr schwer, Aktienfonds genau dann nachzukaufen, wenn die Kurse stark gefallen sind. Und umgekehrt: Die meisten trennen sich dann besonders schwer von ihren Aktienfonds, wenn man gerade eine Hausse-Phase durchlebt hat.

Aus diesem Grund hört sich das Re-Balancing als Ratschlag gut an. Ich wette aber, dass es kaum ein Finanztest-Leser konsequent umzusetzen vermag – eben aus psychologischen Gründen.

Warum nur Aktien und Renten?

Mein nächster Kritikpunkt ist: Warum nur Aktien- und Rentenfonds? Warum nicht auch Rohstoffe oder Immobilienfonds? Insbesondere bei Rohstoffen bin ich der Meinung, dass sie eine sinnvolle Ergänzung darstellen.

Anlagehoriztont

Der Finanztest behauptet, dass man in Fonds nur investieren sollte, wenn man einen Anlagehorizont von mindestens 5 Jahren hat. Es wird aber nicht begründet, warum das so sein soll. Die Begründung ist wahrscheinlich, dass es bei Aktieninvestments immer auch längere schlechtere Phasen geben kann. Und selbst bei dem sicherheitsorientiertesten Anlagevorschlag des Finanztest, soll die Aktienquote bei 15 % Aktien liegen (und 85% Rentenfonds).

Wenn man das aber so betrachtet, sind letztlich selbst die 5 Jahre zu wenig. Ich bin der Meinung, dass man bei Aktien immer einen Anlagehorizont von mindestens 10 Jahren mitbringen sollte. Auch die Strategie des Re-Balancing macht nur Sinn, wenn man es wirklich langfristig durchhalten kann.

Was sollen aber jene machen, die mit einem kürzeren Anlagehorizont anlegen wollen?

Ich bin der Meinung, dass die Re-Balancing-Strategie nicht geeignet ist für Anleger, die einen mittelfristigen Anlagehorizont haben. Hier ist das Setzen von Stop-Loss-Limits sicherlich viel sinnvoller. Weil man eben im Zweifel nicht die Zeit hat, die Verluste „auszusitzen“. Daher ist es besser konsequent Verluste zu begrenzen.

Und hier bin ich der Meinung, dass eine Stop-Loss-Strategie durchaus sinnvoll ist für Anleger die auch schon auf Sicht von 3 Jahren anlegen möchten.

Meine Kritik an der Methodik des Finanztests ist an dieser Stelle, dass sie alle Anleger – ob langfristig oder mittelfristig orientiert – über einen Kamm schert.

Der Finanztest gibt unrealistische Renditeerwartungen

Der Finanztest schreibt auf S. 27:

„Die durchschnittliche Rendite einer solchen [konsrvativen] 15/85-Mischung aus Aktien- Rentenfonds lag in den vergangenen 30 Jahren bei 7,5 Prozent…“

Wenn man sich sein Depot so zusammenstellt: 15% Aktien, 85% Renten, dann ist aus heutiger Sicht kaum eine Rendite von 7,5% zu erwarten, was der Finanztest in dem obigen Satz suggeriert. Rechnen wir einmal nach: Welche Renditen können wir realistischerweise für die beiden Anlageklassen annehmen?

Anleihen bringen derzeit vielleicht 3% Rendite. Ich gehe für Aktien einmal von 8% pro Jahr aus (was vielleicht schon ambitioniert ist). Dann ergibt sich vor Steuern eine Rendite von 3,75% (=15%x8% + 85%x3%).

Da auf alle Kapitalerträge aber Abgeltungssteuern zu zahlen sind, muss man hiervorn noch einmal 25% abziehen. Nach Steuern darf man also bei der 15/85-Mischung realistischerweise mit einer Rendite von 2,81% rechnen. Das ist meilenweit von den 7,5% entfernt, die der Finanztest suggeriert.

Man könnte sich auch umgekehrt fragen: welche Renditen müssen Aktienfonds und Rentenfonds in den nächsten Jahren durchschnittlich erzielen, damit die 7,5% des Finanztests herauskommen?

Die Antwort: Aktien müssten beispielsweise 15% p.a. erzielen und Anleihen 9%, damit die 15/85-Mischung am Ende nach Steuern ca. 7,5% p.a. erzielt. Soll man das wirklich glauben?

Falscher Asugangspunkt

Hier komme ich zu meinem letzten wichtigen Kritikpunkt an den Ausführungen des Finanztest. Ja, die Risikoneigung des Anlegers und dessen Anlagehorizont sind wichtig. Letztlich sind beide aber sehr schwer zu fassen. In seinem Buch „Gier“ führt Jason Zweig aus, dass die „Risikoneigung“ eines Anlegers alles andere als eine fixe Größe ist. Sie ändert sich zum Teil wöchentlich, um nicht zu sagen stündlich. Jason Zweig schreibt auf Seite 144 mit Bezug auf Fragebögen, die Banken dazu benutzen um die „Risikoneigung“ einen Kunden zu bestimmen:

„… Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei beliebige Fragebögen frü dieselbe Person dasselbe Risikoprofil ermitteln, ist kaum besser als der Wurf einer Münze. Ihre vermeintliche Risikotoleranz mag weniger von Ihrer Persönlichkeit abhängen als vielmehr davon, wessen Fragebogen Sie zufällig ausfüllen …

In erstaunlichem Maße hängt die Höhe des Risikos, die Sie bewältigen können, von Ihrer momentanen Stimmung ab. „

So zeigten wissenschaftliche Experimente, dass Männer, die gerade „heiße“ halbnackte Frauen betrachtet haben, zu mehr Risiko neigen, als solche, die das gerade nicht getan haben. Oder Leute, die gerade gedemütigt wurden, neigen zu mehr Risiko, als Menschen, die nicht gedemütigt worden sind. Und so weiter.

Von seiner persönlichen „Risikoneigung“ auszugehen, um eine langfristige Anlagestrategei festzulegen, ist mit das unsicherste, was man tun kann. Viel zieführender ist es, von der Zielrendite auszugehen, die ein Anleger nach -objektiven- Kriterien benötigt. Also z.B. ein Mann besitzt jetzt 50.000 Euro und kann 100 Euro im Monat ansparen. In 20 Jahren geht er in den Ruhestand und benötigt dann ein Vermögen von 200.000 Euro. Frage: Welche Zielrendite braucht er, um dieses Ziel zu erreichen?

Die Antowrt lautet: Egal welche Risikoneigung er hat, wenn er dieses Ziel unter diesen Umständen erreichen will, muss er eine Anlagerendite von netto etwa 6% anstreben.

Mein Fazit

In Ansätzen kann ich die Methodik des Finanztest nachvollziehen. In vielen Details sind die Behauptungen des Finanztest aber (leider) entweder naiv oder fragwürdig.

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