Bedeuten fallende Aktienkurse eine Geldvernichtung?

Mir wurde von einem Leser dieses Weblogs folgende Frage gestellt: „Wird Geld vernichtet, wenn Aktienkurse fallen, oder wandert das Geld nur aus den Aktien raus- und in andere Anlageformen rein?“

Nachfolgend meine Antwort…

„Geld“ und „Wert“

Zunächst, denke ich, sollte man zwischen „Geld“ und „Wert“ unterscheiden. In einer Volkswirtschaft hat Geld eine bestimmte Funktion. Es dient als Zahlungsmittel und erleichtert so den An- und Verkauf von Waren und Wertgegenständen. Ohne Geld würden wir auf eine bloße Tauschwirtschaft zurückfallen.

Viele verbinden mit „Geld“ Münzen, Gold oder Papiergeld. Ja, das ist eine Form von Geld. Es kann aber auch noch ganz andere Formen geben. Beispiele für „Geld“ in früheren Kulturen: 

  • Getreide
  • Biberpelze
  • Rinder
  • Zigaretten
  • Muscheln

Ich denke, den Grundcharakter von Geld kann man am besten mittels des Begriffes „Kredit“ verstehen. Irgendetwas kann so lange als Geld funktionieren, wie die große Mehrheit glaubt, dafür etwas (Waren oder Dienstleistungen) zu bekommen. Glauben auf Lateinisch heißt credere. Der Stoff, aus dem Geld besteht, also z.B. Papier oder Tontafeln, ist so lange komplett egal, wie die große Mehrheit der Bevölkerung darauf vertraut, dafür immer wieder etwas zu erhalten.

So lange die Menschen im alten Babylonien die Sicherheit hatten, auf Tontafeln geschriebene Schuldverschreibungen immer wieder z.B. gegen Lebensmittel oder Schmuck eintauschen zu können, so lange konnten diese Tontafeln als Geld dienen.

Exkurs: Gold als Zahlungsmittel

Hier ein kleiner Exkurs zum Thema Gold. Manche meine Gold an sich wäre wertvoll, alleine deswegen weil es knapp ist. Es gibt viele andere Dinge, die auch sehr knapp sind, das Metall Iridium beispielsweise. Keiner kam aber je darauf, das als Geld zu verwenden. Und es gab und gibt Kulturen, denen das Edelmetall Gold ziemlich egal ist.So z.B. bei unseren germanischen Vorfarhen. In diesen Kulturen kann Gold nicht als Geld verwendet werden. Die alten Germanen sahen die Römer zunächst ziemlich verwundert an, als diese versuchten, Ihnen Waren gegen Gold abzukaufen.

Und selbst da, wo Gold geschätzt wird, kann Gold nur so lange als Zahlungsmittel verwendet werden, wie  die Mehrheit der Bevölkerung daran glaubt, für Gold immer wieder Waren oder Dienstleistungen kaufen zu können. Sobald dieses Vertrauen schwindet (beispielsweise während einer großen Hungersnot), verliert Gold sofort seine Funktion als Zahlungsmittel.

Geld ist also niemals Geld durch seinen Materialgehalt an sich. Etwas kann nur Geld sein, wenn es einen hinreichend festen Glauben und Vertrauen in diese Form des Geldes gibt.

Wechsel als Zahlungsmittel

Ein gutes Beispiel für den Zusammenhang von Geld und Glauben sieht man auch an folgendem. Die Kaufleute Ende des Mittelalters und am Anfang der Neuzeit kauften manchmal Waren ein, ohne sie gleich zu bezahlen. Stattdessen schrieb der Kaufmann A dem Kaufmann B einen Wechsel aus, sagen wir bei einer Messe in Antwerpen. B wusste (bzw. vertraute darauf), dass er beispielsweise in Florenz dafür zu einem bestimmten Zeitpunkt eine festgelegte Summe bekommen würde.

Diese Wechsel wurden dann als eine Form von Geld eingesetzt. Denn B konnte mit diesem Wechsel wieder Waren vom Kaufmann C erwerben. Denn auch C kannte A und hielt ihn für vertrauenswürdig. So wurde der Wechsel von einem zum  anderen weitergereicht und war bereits eine Form von Papiergeld.

Sobald sich aber auch nur gerüchteweise herumsprach, dass Kaufmann A nicht mehr zahlungsfähig ist, waren seine Wechsel natürlich umgehend nicht mehr als Geld verwendbar. Der Glaube bzw. das Vertrauen war weg.

Was ist „Wert“?

Waren oder Diensteistungen haben einen Wert, insofern man für sie realistischerweise einen bestimmten Geldbetrag verlangen kann. Das muss noch nicht heißen, dass dieser Geldbetrag auch in einem tatsächlich en geschäft fließen muss.

Nehmen wir einen Hausbesitzer A. Er behauptet, dass sein Haus 400.000 Euro wert sei. Wie kommt er darauf? Weil sein Nachbar ein ähnliches Haus für genau diesen Betrag vor einem Jahr verkauft hat. A selbst denkt aber nicht daran zu verkaufen. Dennoch meint er, dass er diesen Preis bekommen könnte, wenn er verkaufen würde.

Auf diese Weise ist der Wert erst einmal nichts Reales, sondern eine Rechnungseinheit. Etwas, was sich jemand einbildet, bzw.was irgendwo auf dem Papier steht.

Genauso ist es mit Aktien. Nehmen wir einmal an, im Jahre 2000 wird die Aktie X emittiert. Und zwar für 100 Euro pro Aktie.  Einige Anleger griffen zu und kauften für diesen Preis. Auf diese Weise wurden 10 Mio Euro patziert. In der Folgezeit interessierten sich viele Leute für diese Aktie und wollten auch kaufen. Nur leider wollte kein einziger der ursprünglichen Anleger verkaufen. So stieg der Kurs, sagen wir auf 150 Euro bis ins Jahr 2005.

Die Anleger freuten sich natürlich und wähnten sich um 50%b reicher. Dennoch verkaufte nach wie vor niemand. Analysten sprachen davon, dass die Marktkapitalisierung der X-Aktie inzwischen bei 15 Mio Euro liegt.

Dann kam die Finanzkrise und der Kurs fiel wieder auf 120 Euro. Die Marktkapitalisierung der X-Aktie liegt also inzwischen nur noch bei 12 Mio Euro, also 3 Mio Euro weniger als im Jahre 2005. Ist deswegen Geld vernichtet worden?

Ich würde sagen nein. Wenn überhaupt, dann wurde ein imaginärer Wert vernichtet. Imaginär, weil für den Preis von 150 Eura ja keine einzige Aktie en Besitzer gewechselt hat. Man kann es auch so ausdrücken: Der unrealisierte Gewinn auf dem Papier ist geringer geworden. Nichts weiter.

Tatsächlich können sich die ursprünglichen Anleger natürlich mit Bezug auf 2005 ärmer fühlen. Vielleicht ärgern sie sich und denken: „Hätte ich doch damals verkauft, dann hätte ich heute so und so viel mehr…“

D.h. wenn wir einen Depotauszug bekommen, dann ist das Ganze natürlich bis zu einem bestimmten Grad rein hypothetisch. Genauso hypothetsich wie beim Hausbesitzer A, der meint ein 400 .000 Euro wertvolles Haus zu besitzen, das aber nicht verkaufen will. Wahrscheinlich würde er ja vielleicht diesen Preis bekommen. So lange es aber noch zu keinem tatsächlichen Beistzerwechel gekommen ist, ist dieser Wert letztlich hypothetisch.

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