Beratungsprotokoll bei Anlageberatung ab Januar 2010

Kurz vor Beginn der Krise im September 2008 haben einige Anleger Lehman-Zertifikate erworben, die manche Bankberater als sichere Wertpapiere darstellten. Aufgrund der Lehman-Pleite  verloren diese Anleger viel Geld und sie fühlten sich eklatant falsch beraten.

Durch diesen Sachverhalt sah sich der Gesetzgeber in die Pflicht genommen, die gesetzlichen Regelungen zugunsten des Anlegers zu verbessern. Wesentlicher Punkt der gesetzlichen Neuregelung ist:

  • die Pflicht zur Protokollierung von Anlageberatungsgesprächen ab Januar 2010.

Nachfolgend erkläre ich, was sich für den Kunden ändert…

Protokollierungspflicht

Bei jedem Anlageberatungsgespräch fordert der Gesetzgeber, dass der Finanzberater künftig Folgendes sorgfältig protokolliert:

1. Anlass der Anlageberatung, insbesondere ob die Initiative von Ihnen oder von dem Berater ausging. Hintergrund dafür ist, dass es gerade in Banken häufig Vertriebsvorgaben gibt. Und um diese Vorgaben zu erfüllen, müssen die Bankangestellten ihre Kunden durchtelefonieren mit dem Ziel, das vorgegebene Finanzprodukt möglichst oft zu verkaufen.

2. Dauer des Beratungsgesprächs. Dies, damit man hinterher nachvollziehen kann, ob sich der Berater wirklich die notwendige Zeit genommen hat, um dem Kunden alle wichtigen Punkte zu erklären.

3. Der Berater muss Fragen stellen zu Ihren Vermögens- und Einkommensverhältnissen . Darüber haben Sie wahrscheinlich bereits ganz am Anfang mittels des sog. WpHG-Fragebogens Auskunft gegeben. Diese erneute Befragung hat der Gesetzgeber vorgesehen, kann aber im konkreten Fall sehr lästig sein.

4. Der Berater muss die wesentlichen Anliegen oder Anlageziele erfragen, die Sie mit der Geldanlage verfolgen. Das könnten beispielsweise sein: Gute Liquidierbarkeit, Sicherheit, gute Diversifikation des Vermögens und ähnliches. Diese Anliegen müssen danach auch noch priorisiert werden. D.h. wenn der Kunde mehrere Anliegen angibt, sagen wir Sicherheit und hohe Rendite, dann muss der Berater fragen: „Was ist Ihnen wichtiger, Sicherheit oder hohe Rendite?“

5. Schließlich muss protokolliert werden, wozu der Berater geraten hat, sowie die wesentlichen Gründe dafür.

6. Ein Anlageprodukt darf der berater für Sie nur dann ordern, nachdem Sie ein vom Berater unterschriebenes Beratungsprotokoll erhalten haben.

Sie sehen, dass hier einiges zu berücksichtigen ist. Beratungsgespräche werden künftig deutlich umständlicher werden. Im Sinne des Anlegerschutzes ist das sicherlich zu begrüßen.

Als Kunde einer Bank oder eines unabhängigen Finanzberater muss man also wissen, dass die Protokollierungspflicht ab Januar 2010 Beratungsgespräche ausführlicher gestalten wird als man es bisher gewohnt ist.

Was ist Anlageberatung?

An dieser Stelle ist vor allem wichtig zu sehen, dass nicht jedes Gespräch, das jemand mit seinem Berater zu Anlagethemen miteinander führt, eine Anlageberatung im Sinne des Gesetzgebers ist.

Eine solche Anlageberatung im Sinne des WpHG zeichnet sich vielmehr durch folgendes aus:

  • Wenn der Berater für seinen Rat Ihre ganz persönlichen finanziellen Umstände berücksichtigt.
  • Wenn der Berater Ihnen als Anleger ganz konkret, ein bestimmtes Wertpapier oder einen bestimmten Fonds zum Kaufen, Verkaufen oder Halten empfiehlt.

Insbesondere ist keine Anlageberatung im Sinne des Gesetzgebers:

  1. Allgemeine Produktinformationen, ohne dass der Berater auf Ihre konkreten finanziellen Umstände bezug nimmt.
  2. Ein Gespräch über verschiedene Anlageklassen im allgemeinen. Also wenn der Berater beispielsweise dazu rät, Ihren Anteil an Aktien im allgemeinen zu verringern, ohne auf eine bestimmte Aktie zu verweisen.
  3. „Execution only“: Wenn Sie dem Berater eine Weisung zum Kaufen oder Verkaufen eines Anlageproduktes geben, ohne dazu vorher meinen Rat einzuholen.

Für diese drei Arten von Gesprächen wird kein Protokoll notwendig sein.

Telefonische Anlageberatung

Mit besonderen Herausforderungen ist künftig die Anlageberatung per Telefon behaftet. Denn nach einer vollzogenen Beratung darf der Berater für Sie nur disponieren, wenn Ihnen bereits das Beratungsprotokoll vorliegt.

Die Übersendung des Protokolls auf dem Postweg kann ein paar Tage in Anspruch nehmen. Um daher schnell handeln zu können, kann man eine Übermittlung per E-Mail oder per Telefax festlegen.  In jedem Fall wird die Protokollierungspflicht auch bei telefonischen Anlageberatungen künftig deutlich umständlicher sein und mehr Zeit in Anspruch nehmen, als Sie es bisher gewohnt sind.

Daher mein Rat: Wenn Sie ein Anlageprodukt schnell und ohne jegliche Verzögerung kaufen oder verkaufen möchten, geben Sie Ihrem Berater einfach eine Weisung ohne vorhergehende Beratung („Execution only“). Solche Weisungen kann Ihr Berater dann ohne Weiteres umgehend ausführen.

Mein Tipp zum Schluss

Achten Sie darauf, dass das Protokoll wirklich mit dem tatsächlichen Verlauf des Beratungsgespräch übereinstimmt.  Der Gesetzgeber hat die Protokollierungspflicht eingeführt mit dem Ziel, die Qualität der Anlageberatung zu verbessern und um im Streitfall vor Gericht ein schriftliches Dokument vorlegen zu könnnen. Künftig wird es so sein, dass das Gericht annehmen wird, dass genau das, was protokolliert wurde auch gesagt wurde, nicht mehr und nicht weniger.

Ich wette, dass durch Protokollierungspflicht sich die Position der falsch beratenden Banken sogar stärken wird. Dann nämlich wenn Dinge protokolliert werden, die tatsächlich gar nicht Gegenstand des Gesprächs waren. Beispielsweise Risikoaufklärungen und dergleichen.

Oder wenn Dinge nicht im Protokoll stehen, die eigentlich Thema waren. Bispielsweise könnte ein Kunde am Anfang sein Bedürfnis nach einer sicheren Geldanlage zum Ausdruck gebracht haben, das dann plötlich im Protokoll keine Erwähnung findet.

Als Kunde sollte man also aufpassen und nicht zu leichtfertig ein Beratungsprotokoll einfach hinnehmen. Man sollte vielmehr ggf. schriftlich einem Protokoll widersprechen und eine Korrektur verlangen.

4 Kommentare
    • peterreins
      peterreins sagte:

      Ich möchte mich mal so ausdrücken. Dumme Berater werden künftig in echte Schwierigkeiten kommen. Mit „dumm“ meine ich, wenn diese Berater das Protokoll nicht ernst genug nehmen. Dann kann man sie viel leichter zur Verantwortung ziehen als bisher.

      Andererseits ist zu bedenken, dass diese Pflicht zu Protokollierung nur für relativ wenige Beratungssituationen überhaupt besteht. Kein Protokoll ist beispielsweise notwendig für:
      * Vermittler von Investmentfonds nach § 34 c GewO (sofern sie nicht auch Anlageberater nach KWG sind, was bei den wenigsten der Fall ist)
      * Vermittler geschlossener Fonds.
      Und damit werden zwei Beratungssituationen ausgeklammert, bei denen – wenn Sie mich fragen – mit der höchste Schaden angerichtet wird.

      Die Protokollierungspflicht besteht nur für Finanzdienstleister mit Erlaubnissen nach Krdeitwesengesetz (KWG). Beispiele hierfür sind:
      * die Banken
      * unabhängige, BAFin-zugelassene Vermögensverwalter (wie ich einer bin).
      Institute mit dieser erweiterten Erlaubnis gibt es nicht einmal 1000 in ganz Deutschland. Also sehr wenige.

      Eine Sache ist z.B. überhaupt nicht zu begreifen. Wenn ich jemanden mit bezug auf einen Investmentfonds berate, dann muss ich unbedingt ein Protokoll erstellen. Wird dieselbe Person von einem Finanzdienstleister beraten, der keine BAFin-Zulassung sondern nur eine Erlaubnis nach § 34c GeWO hat (wovon es zigtausende alleine in München gibt), dann ist kein Protokoll verpflichtend. Was denkt sich hier der Gesetzgeber eigentlich?

      Wer ein Protokoll erstellen muss (wie beispielsweise Bankberater), kann das Protokoll sehr gut – wenn er klug ist – zum Vorteil der Bank nutzen. Für solche Institute, die sehr gut protokollieren, wird die Rechtssicherheit stiegen. Damit ist noch lange nicht gewährleistet, dass auch die Beratungsqualität besser wird. Tatsächlich, so glaube ich, wird schlechte Beratung künftig noch schlechter rechtlich zu belangen sein. Wie gesagt: Voraussetzung ist, dass sich der Berater nur klug genug anstellt. Aber das haben diese Berater ja bisher auch schon gemacht.

      Hier eine Beispielgeschichte dazu. Vor etwa einem Jahr kam eine ältere Dame zu mir und war aufgelöst, weil sie ein Wertpapier mit großen Verlusten im Depot hatte. Das Depot wurde von ihrem Bankberater betreut. Sie sagte mir, dass sie bei jedem Beratungsgespräch in der Bank immer angegeben hätte, sehr sicherheitsorientiert zu sein. Ich begleite die Dame in die Bank, um mit dem Bankangestellten über die Sache zu sprechen. In der Bank wird mir ein Dokument vorgelegt, in dem angekreuzt war, dass sie „sehr risikobereit“ anlegen möchte. Diese Dokument war von ihr auch korrekt unterschrieben. Die Dame selbst konnte sich aber (glaubhaft) nicht daran erinnern, jemals über irgendwelche Risiken aufgeklärt worden zu sein.

      Ich kann es natürlich nicht beweisen, aber mir drängt sich stark der Verdacht auf, dass der Berater der Dame irgendwas unterschreiben ließ, ohne dass die Dame wirklich wusste, was sie da unterschrieb.

      Fälle dieser Art erlebe ich immer wieder. Und deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass die Protokollierungspflicht für den Anleger viel bringen wird. Welcher Bankberater wird so dumm sein, und einem Kunden „sicherheisorientiert“ ankreuzen lassen und ihm dann ein Bonuszertifikat verkaufen. Vielmehr wird er erst das Bonuszertifikat anpreisen, und danach dem Kunden sagen, dass er das leider nur kaufen kann wenn er nicht „sicherheitsorientiert“ ankreuzt, sondern „risikobereit“. Im Protokoll wird dann auch wahrscheinlich schön aufgelistet sein, über welche Risiken aufgeklärt wurde. Im Gespräch selbst wurden genau diese Risiken vielleicht entweder gar nicht erwäht oder heruntertespielt. So ist es bisher gelaufen, und daran wird auch ein Protokoll nichts ändern. Denke ich jedenfalls pessemistischerweise.

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  1. Handundstein
    Handundstein sagte:

    Wow, der Kommentar war ja noch interessanter als der Artikel selbst. Danke für die Einblicke. Ich kenne den Missbrauch der von den Banken bisher aus eigener Initiative genutzten Papiere zur Dokumentation der Beratung. Insofern bin ich auch skeptisch, was den Nutzen des Protokolls angeht (und sehr gespannt auf die Entwicklung im kommenden Jahr).

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  1. […] des angelegten Geldes über die Gesetzliche Einlagensicherung hinaus. Damit gibt es weder einen Bedarf für ein Beratungsprotokoll vor dem Abschluss eines Tagesgeldkontos, noch ist ein Beipackzettel erforderlich, um über ein […]

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