Finanzkrise Teil 11: Chronologie, Daten und Fakten

Im Zusammenhang mit der Finanzkrise habe ich bereits einige Theman aufgegriffen und diskutiert. Mein Bestreben dabei ist, zu verstehen, was hier tatsächlich gelaufen ist. In den Medien und in manchen Büchern wird der Hergang oftmals sehr bruchstückhaft, wenn nicht falsch dargestellt. Insbesondere werden häufig amerikanische Mortgage-Backed Securities und Collaterized Debt Obligations nicht verstanden. Schnell kommt man dann zu solchen Urteilen wie „Die Banken haben gezockt“. 

In meinen bisherigen Beiträgen beleuchtet ich die Tatsache, dass US-Hypotheken regressfrei sind, sowie die Bedeutung bestimmter Bilanzierungsregeln sowie der extrem niedrigen Eigenkapitalquoten für die Finanzkrise.

Manche Autoren sind auch sehr schnell damit, bestimmte Maßnahmen zu empfehlen, ohne sich die Mühe gemacht zu haben, genau zu verstehen, wie es zu der Krise kam. Ein Beispiel hierfür ist Bofingers Buch „Ist der Markt noch zu retten?“

Um die Hintergründe zur Finanzkrise zumindest ein wenig besser zu verstehen, stelle ich nachfolgend einige Daten und Fakten zum Verlauf der Finanzkrise dar. Dabei beziehe ich mich u.a. auf Prof. Sinns Buch Prof. Sinn „Kasino-Kapitalismus  [S. 323 ff.] …

1995: Gesetzesnovelle
US-Präsident Bill Clinton novelliert den Community Reinvestment Act. Danach sind US-Banken gezwungen das sog. Red-Lining aufzugeben und ärmere Bevölerkungsgruppen können Hypothekenkredite gerichtlich einfordern.

2004: George Bush: „Jedem sein eigenes Haus“
Fannie Mae und Freddie Mac werden dazu ermächtigt, riskante Kredite zu vergeben [Hinweis von Blog-Leser Robert Maehl mit Berufung auf das Buch „Der amerikanische Virus“ von Rainer Hank]

1995 – 2006: Immobilienbesitz in den USA
Der Anteil der Haushalte mit Immobilienbesitz in den USA steigt von 65% auf 69%. Das ist eine Steigerung um 6%. Besonders ärmere Bevölkerungsgruppen werden überdurchschnittlich oft Hauseigentümer. [Sinn S.122]

1995 – 2007: Entwicklung des subprime-Marktes
Bis 2003 bleibt der Anteil der subprime-Kredite am Gesamt-Hypothekenmarkt unter 10%. Ab 2004 explodiert dieser Markt. In 2004 wächst dieser Anteil auf knapp unter 25%, in den nächsten beiden Jahren 2005 und 2006 steigt der Anteil auf über 30%, um in 2007 wieder auf unter 20% zu fallen. [Sinn S. 124]

1990 – 2009: Preisentwicklung von US-Immobilien [Sinn S. 48]
Von 1990 bis 1996 stagnierten die Preise für US-Immobilien. Es gab keine nennenswerte Verluste noch nennenswerte Steigerungen. Ab 1997 steigen die Preise für US-Immobilien explosionsartig an, bis sie im Juni 2006 ihren Höhepunkt erreichen. Die durchschnittliche jährliche Wertsteigerung ist 11,2%. Anders ausgedrückt. Wer 1996 eine US-Immobilie für 100.000 USD gekauft hat, konnte diese 2006 für 290.000 USD verkaufen.

Ab Juni 2006 begannen die US-Immobilienpreise zu fallen. Bis Dezember 2008 vielen verloren US-Immobilien durchschnittlich 28% an Wert. Anders formuliert: Wer in 2006 eine US-Immobilie für 300.000 USD kaufte, konnte sie Ende 2008 gerade einmal für 216.000 USD verkaufen.

Vom Juli 2005 bis Feb. 2009 gingen die Verkäufe von US-Einfamilienhäusern um 76% zurück. Siehe www.census.gov

2002 – 2009: US-Leitzinsen (Fed Rate)
Fed-Funds-Rate
Im Zuge des wirstschaftlichen Abschwungs ab 2001 hat die US-Notenbank sukzessive die Leitzinsen gesenkt. Zwischen 2003 und 2004 erreichten die US-Leitzinsen mit 1,0% einen Tiefpunkt. Entsprechend günstig konnten sich Banken refinanzieren, bzw. US-Amerikaner konnten Darlehen mit historisch niedrigen Zinsen aufnehmen.

22.2.2007
Die Bank HSBC meldet einen Verlust von 10,5 Mrd USD in erster Linie aufgrund des US-Hypothekenkreditgeschäftes.

22.06.2007
Die Investmentbank Bear Stearns erlebt herbe Verluste mit zwei Hedgefonds, die im CDO-Geschäft engagiert waren. Die Bank muss 3,2 Mrd USD nachschießen.

31.07.2007
Die beiden Hedgefonds von Bear Stearns melden Konkurs an.

6.8.2007
Einer der größten Anbieter von US-Hypothekendarlehen, American Home Mortage, meldet Konkurs an.

13.8.2007
Goldman Sachs muss 3 Mrd USD in einen seiner Hedgefonds nachschießen.

28.8.2007: Sachsen LB
Die Sachsen LB steht vor dem Zusammenbruch, nachdem sie sich über Zweckgesellschaften über die Maßen im subprime-Geschäft engagiert hatte.

3.9.2007: IKB
Die deutsche Bank IKB meldet im Zusammenhang mit subprime-Investments einen Verlust von 1 Mrd USD.

14.9.2007: Ansturm auf Northern Rock
Privatanleger ziehen massenhaft ihre Einlagen von der britischen Bank Northern Rock ab. Insgesamt 1 Mrd GBP. Die britische Regierung muss die Ersparnisse garantieren, um den Ansturm zu stoppen.

Okt. 2007
Die UBS meldet Verluste in Höhe von 3.4 Mrd USD. Citigroup meldet einen Verlust von mehrern Mrd USD aus dem subprime-Geschäft. Die japanische Nomura Bank meldet einen Verlust von 621 Mio USD. Merrill Lynch meldet einen Verlust von 7,9 Mrd USD. Die Deutsche Bank meldet einen Verlust von 2,2 Mrd USD.
Dennoch erreicht der Dow Jones am 9.10.2009 seinen bisherigen Höchststand von 14164 Punkten (heutiger Stand: 9791; das ist ein Minus von 30,8 %)

Nov. 2007

Die Schweizer Großbank Credit Suisse meldet einen Verlust von 1 Mrd USD.
Die Citigroup meldet einen Verlust mit subprime-Geschäften in Höhe von 8 bis 11 Mrd USD.
Die amerikanische Großbank Morgan Stanley meldet einen Verlust aus Hypothekenkrediten von 3,7 Mrd USD. BNP Paribas meldet einen Verlust von 197 Mio Euro.
Die US-Bank Wachovia meldet einen Verlust von 1,7 Mrd USD.
Die Bank of America meldet einen Verlust von 3 Mrd USD aus subprime-Geschäften.
HSBC meldet einen Verlust von 3,4 Mrd USD.
Die britische Barclays Bank meldet einen Verlust von 2,7 Mrd. USD.
Freddie Mac meldet einen Verlust von 2 Mrd. USD.

6.12.2007
Die UBS meldet wegen Forderungsausfällen im US-Immobilienmarkt einen Verlust von 10 Mrd USD.

31.12.2007 Entwicklung wichtiger Finanzindikatoren in 2007
In 2007 sind insgesamt 3 US-amerikanische Banken pleite gegangen.

  • MSCI-World:  115,20 => 111,0 oder -3,6%
  • Dow Jones: 12474 => 13264 oder +6,3%
  • DAX: 6681 => 8067 oder +20,7%
  • USD/Euro: 1,33 => 1,46 das ist ein USD-Verfall um 9,8%
  • Euro-Tagesgeld: 3,60% => 3,78%

9.1.2008
Bear Stearns meldet Verluste von 1,9 Mrd. USD im Zusammenhang mit subprime-Krediten.

21.1.2008: Erster Aktiencrash in 2008
Aufgrund von nicht-autorisierter Spekulationen eines französischen Bankangestellten wird ein Börsencrash ausgelöst. Die Societe Generale 4,9 Mrd. Euro.

Bemerkenswert ist, dass dieser erste Crash in 2008 nichts mit der subprime-Krise zu tun hatte.

Feb. 2008
Die UBS meldet für das vierte Quartal 2007 einen Verlust von insgesamt 12 Mrd. Euro.
Die britische Regierung gibt bekannt, dass die Northern Rock Bank verstaatlicht wird.
Der Versicherungskonzern AIG meldet fürs vierte Quartal 2007 einen Verlust von 5,3 Mrd USD. Alleine aufgrund des Geschäftes mit credit-default swaps ist dem Konzern ein Verlust in Höhe von 11 Mrd USD entstanden.

17.3.2008: Bear Stearns-Pleite
Die Investmentbank Bear Stearns, bis dahin die fünftgrößte Bank der Wall Street, muss aufgeben und wird von JP Morgan Chase für 240 Mio USD übernommen. Unterstützt wird dieser Deal durch die amerikanische Zentralbank FED.

Die Aktienmärkte verlieren daraufhin drastisch.

Apr. 2008
Die Landesbank Baden-Württemberg übernimmt die Sachsen LB.
Die Citigroup meldet weitere 12 Mrd USD Verlust im Zusammenhang mit subprime-Krediten.

6.5.2008
Die UBS meldet fürs erste Quartal 2008 einen Verlust von 11,5 Mrd CHF.

11.7.2008
Der US-Hypothekenfinanzierer IndyMac wird insolvent. Bisher zweitgrößte Zusammenbruch einer US-Bank.

13.7.2008
Fannie Mae und Freddie Mac brauchen staatliche Hilfe, um überleben zu können.

Aug. 2008
Die Royal Bank of Scotland meldet für die erste Jahreshälfte einen Verlust von 692 Mio GBP.
Die Firma Lone Star übernimmt die deutsche IKB.
Fannie Mae und Freddie Mac melden ausstehende Schulden in Höhe von 5,4 Mrd. USD.

9.9.2008: Beginn der Liquiditätskrise
Die Aktien der Investmentbank Lehman Brothers fallen um 40%, da Bedenken an ihrer Kapitalbeschaffungsfähigkeit bestehen. Bisher war die Bankenkrise vor allem durch sehr hohe Abschreibungen aus US-Hypothekenkrediten und aus entsprechenden Wertpapieren (MBS und CDOs) gekennzeichnet. Von jetzt an schwan das Vertrauen der Banken untereinander, so dass die Krise zu einer Liquiditätskrise wurde.

10.9.2008
Lehman meldet einen Verlust von 3,9 Mrd. USD für Juni bis August 2008.

  • Die Börsenwoche endet mit dem größten Verlust der Nachkriegszeit.
  • Extrem hohe Bargeldabhebungen bei den Banken.
  • US-Finanzminister Paulsen erklärt, dass es keine staatliche Unterstützung zur Rettung von Lehman Brothers geben wird.

15.9.2008

  • Merrill Lynch übernimmt die Bank of America für 50 Mrd USD.
  • Lehman Brothers meldet Konkurs an.
  • Der Dow Jones verliert 504 Punkte
  • Die US-Regierung rettet mit 85 Mrd USD den Versicherungskonzern AIG.

17.09.2008

  • Panik an den Kreditmärkten. Flucht in sichere Staatsanleihen.
  • Zentralbanken pumpen weltweit 180 Mrd. USD in das System und versuchen so, die Krise zu beenden.
  • Der Versicherungskonzern AIG wird verstaatlicht.

18.9.2008

  • Die russischen Aktienmärkte bleiben für einen zweiten Tag geschlossen.
  • Der Nikkei fällt 260 Punkte
  • Die US-Regierung verspricht mit 50 Mrd USD Geldmarktfonds zu stützen.
  • Die britische Regierung erhöht die Garantieren für Bankeinlagen auf 50.000 GBP.

19.9.2008
US-Finanzminister Paulsen arbeitet an einem 700 Mrd USD-Plan für eine Bad Bank, um das Bankensystem wieder zu stabisieren.

5.9.2008 Beginn des realwirtschaftlichen Abschwungs.
Irland fällt als erster Staat in der Euro-Zone in die Rezession. In den USA steigt die Zahl der Arbeitslosen.

26.9.2008
Die Benelux-Länder retten den Versicherungskonzern Fortis.
Die politischen Parteien in Amerika einigen sich auf einen 700 Mrd USD-Rettungsplan, die größte Intrervention in die Märkte seit der Weltwirtschaftskrise in dne 1930er Jahren.

28.9.2008

  • Der US-Kongress und der Senat lehnen den 700 Mrd USD-Rettungsplan ab.
  • In Island wird die Glitnir-Bank verstaatlicht
  • Der deutsche Staat garantiert ein 35 Mrd. Euro-Rettungsplan für Hypo Real Estate.

29.9.08
Aktiencrash. Banken leihen sich kaum mehr Geld untereinander aus.

30.09.08
Crash in den asiatischen Aktienmärkten.
Die Bank Dexia wird durch Frankreich, Belgien und Luxemburg gerettet.

1.10.2008
Rezession in Großbritannien.
Der US-Senat stimmt (endlich) dem 700 Mrd USD-Rettungsplan zu.

2.10.2008
Niederlande kündigt die Verstaatlichung der ABN Amro Bank an.

3.10.2008
Krisengipfel in Paris unter Beteiligung französischer, deutscher, britischer und italienischer Spitzenpolitiker.

6.10.2008
Aktienkurse fallen (vor allem in London)
Britische Regierung gibt Rettungsplan für große Kreditinstitute bekannt.

8.10.2008
Rohstoffpreise fallen. (Sehr zur Verwunderung jener, die auf einen steigenden Goldpreis spekulierten)
Russland, Ukraine und Rumänien setzen den Börsenhandel für einen Tag aus.

9.10.2008
Inzwischen sind die drei großen isländischen Banken verstaatlicht: Kaupthing, Glitnir und Landsbanki.

10.10.2008
Weiterer Kursverfall an den Aktienbörsen.
Bankkunden räumen ihre Konten ab.

11.10.2008
Treffen der G7-Finanzminister und des IWF in Washington. Fünf-Punkte-Plan, um das Bankensystem zu stützen.

13.10.2008
Historischer Rettungsplan der US-Regierung: 250 Mrd USD an Banken.
Aktienkurse steigen.

15.10.2008
Aus Angst vor einer Rezession fallen die Aktienkurse weltweit.

16.10.2008
Stark fallende Aktienkurse in Japan.
Staatsinsolvenz in Island und wird vom IWF mit 6 Mrd USD gerettet.

24.10.2008
Weltweit fallende Aktienkurse.

31.10.2008
Der IWF bewilligt einen Kredit von 164 Mrd USD an die Ukraine.

3.11.2008
Commerzbank nimmt das Rettungspaket der Bundesregierung in Anspruch.
Die österreichische Bank Kommunalkredit Austria wird verstaatlicht.

6.11.2008
China beschließt ein Konjunkturprogramm in Höhe von 586 Mrd USD.

14.11.2008
Die Euro-Zone fällt offiziell in die Rezession.

3.12.2008
US-Autobauer bitten den amerikanischen Staat um Hilfe. Präsident Bush gewährt 17,4 Mrd USD aus dem Banken-Rettungsplan.

12.12.2008
Der USD fällt stark gegen über dem japanischen Yen.

31.12.2008
In 2008 sind insgesamt 25 US-amerikanische Banken pleite gegangen.

  • MSCI-World: 111,0 => 66,1 oder -40,5%
  • Dow Jones: 13264 => 8776 oder -33,8%
  • DAX: 8067 => 4810 oder -40,4%
  • USD/Euro: 1,46 => 1,40 das ist ein USD-Anstieg um 4,1%
  • Euro-Tagesgeld: 3,78% => 2,05%

6.1.2009
Inflation im Euroraum bei niedrigen 2,1%

13.1.2009
Regierungspläne für ein zweites deutsches Konjunkturprogramm in Höhe von 50 Mrd Euro. Wird am 27.1. beschlossen.

17.2.2009
US-Präsident Obama bringt ein US-Konjunkturprogramm in Höhe von 787 Mrd USD auf den Weg.

14.8.2009
Die US-Bank Colonial geht pleite. Das ist bisher die größte Bankenpleite in 2009. In 2009 sind bis dahin 77 US-Banken in den Konkurs gegangen. Bis heute (17.09.09) sind es inzwischen 90 Banken.

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