Finanzkrise Teil 10: US-Banken werden zu Kredithaien

CB022166Wenn ein Amerikaner für den Kauf einer Immobilie eine Hypothek aufnimmt, so haftet er nur mit dieser Immobilie, aber nicht darüber hinaus mit weiterem privatem Vermögen. Auf diese Weise hat er ein Interesse daran, die Fremdkapitalquote so hoch wie möglich zu treiben. Denn um so niedriger ist sein persönliches Verlustrisiko und um so höher sind seine Gewinnchancen. Denn falls die Hauspreise steigen, dann hat er einen enormen Hebel. Fallen die Hauspreise, dann ist sein Verlust auf das (möglichst geringe) Eigenkapital beschränkt. Die Hauptlast hat in diesem Fall der Kreditgeber zu tragen. (Dies habe ich bereits hier ausgeführt: „US-Hypotheken sind regressfrei„.)

Aus diesem Grunde ist es ein Rätsel, warum US-Banken bei solchen für sie offensichtlich ungünstigen Geschäften überhaupt mitmachen.

Das Rätsel verschärft sich noch. Denn ab 2000 verhalfen US-Banken immer mehr auch solchen Personen zu fremdfinanzierten Immobilien, von denen es von Anfang an klar sein musste, dass sie ihre Hypothek nicht zurückzahlen können. Sie verhalfen nicht nur, sie trieben und verführten die Leute regelrecht zu Fremdfinanzierungen.

Wolfgang Köhler hat dies in seinem Buch „Wall Street Panik – Banken außer Kontrolle“ sehr gut beschrieben …

Letztlich scheint es drei Gründe dafür zu geben, dass ab 2000 und noch stärker ab 2004 US-Banken schlechte Schuldner dazu trieben, ihr Eigenheim mit einer Hypothek zu belasten bzw. ein Eigenheim fremdfinanziert zu erwerben:

  1. Die Banken verdienten glänzend an den Abschluss-Gebühren für Kredite.
  2. Da Banken bei schlechten Schuldnern höhere Zinsen verlangen können, war hier die Marge größer.
  3. Die Banken glaubten an eine Fortsetzung des Immobilien-Booms in den USA.

Nachfolgend ein paar Fakten (die ich Wolfgang Köhlers Buch entnommen habe).

Der US-Hypothekenfinanzierer Household

 Household ist ein traditionsreiches amerikanisches Unternehmen, das bereits Ende der 1920er Jahre eines der größten Privatkreditunternehmen war. Um die Jahrtausendwende war Household sehr stark im subprime-Geschäft engagiert, d.h. es vergab Kredite an schlechte Schuldner. 

In 2002 wurde Houshold angeklagt, Kunden über die Kreditbedingungen getäuscht zu haben, insbesondere üer Höher der Zinssätze, der Gebühren. Der Sammelklage schlossen sich etwa 175.000 Kunden an. Schließlich stimmte Household einem Vergleich zu, der dem Unternehmen 484 Mio USD kostete.

Derart geschwächt wurde Household von der britischen Großbank HSBC übernommen. Kein Wunder, dass HSBC eine der ersten Banken war, die hohe Abschreibungen mit US-Hypotheken bekannt geben mussten (Februar 2007).

Ameriquest

Ameriquest galt 2006 als der größte Eigenheim-Finanzierer der USA. Auch dieses Unternehmen hat seine Kunden über die Höhe der Zinsen und andere Darlehenskonditionen nicht richtig aufgeklärt bzw. wohl absichtlich darüber getäuscht.

Ähnlich wie Houshold wurde auch Ameriquest verklagt und musste eine gewaltige Entschädigung zahlen: im Jahre 2006 einen Betrag von 325 Mio USD an getäuschte Kreditnehmer.

Der Gründer von Ameriquest, Roland E. Arnall, war übrigens der größte Wahlkampfspender für George W. Bush.

Countrywide Financial Corporation

Auch Countrywide war ein sehr großer amerikanischer Immobilienfinanzierer. In 2006 erklärte sich das Unternhmen bereit, einer großen Anzahl von Kunden überhöhte Zinszahlungen zu erstatten. In 2007 musste das Unternehmen eine Strafe von 500.000 USD zahlen, weil es gegen die Kreditgesetze des US-Staates Connecticut verstoßen hat.

US-Verbraucherorganisationen schlagen Alarm

Das waren drei Beispiele für US-Immobilienfinanzierer, die in den Jahren 2000 bis 2007 durch ein sehr zweifelhaftes Geschäftsgebaren auffielen. Gemeinsam war ihnen folgendes:

  1. Sie verlangten überhöhte Zinsen für ihre Darlehen.
  2. Sie täuschten ihre Kunden häufig über die wahre Höhe der Zinssätze.
  3. Sie verlangten häufig überhöhte Abschlussgebühren.
  4. Sie trieben ihre Kunden zum Kauf fremdfinanzierter Immobilien, die sich die Kunden eigentlich gar nicht leisten konnten.

Dass die genannten drei Fälle keine Einzelfälle waren, zeigen Berichte der US-Verbraucherschutzorganisationen Acorn und Center for Responsible Lending. Vielmehr scheinen eine ganze Reihe amerikanischer Immobilienfinanzierer Anfang dieses Jahrtausends ein solches Geschäftsmodell verfolgt zu haben.

Banken glaubten an eine Forsetzung des Immobilien-Booms

Durch diese Geschäftspraktiken konnten die Immobilienfinanzierer hohe Abschlussgebühren und überhöhte Zinsen vereinnahmen – auf Kosten ihrer Kunden. Da immer mehr auch solche Kunden dazu verlockt wurden, Hypotheken aufzunehmen, von denen die Banken wissen mussten, dass sich diese Kunden ein Darlehen eigentlich nicht leisten konnten, war dieses Geschäftsmodell eindeutig auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtet. Von Langfristigkeit keine Spur.

Aber wir erinnern uns: Dieses Geschäftsgebaren ist insofern der blanke Wahnsinn, weil US-Hypotheken ausschließlich durch die durch sie finanzierten Immobilien besichert sind. Ein Amerikaner muss über sein Eigenheim hinaus weder mit sonstigem Privatvermögen noch mit seiner Arbeitskraft gerade stehen. Der Wahnsinn wird noch größer, wenn man bedenkt, dass schlechte Schuldner dazu getrieben wurden, ihr Eigenheim zu 100%, manchmal  sogar zu 125% fremdzufinanzieren.

Dieses Geschäftsmodell konnte also nur aufgehen, wenn man annimmt, dass die Preise für US-Immobilien weiter steigen werden. Wolfgang Köhler schreibt auf Seite 77:

„Zehn Jahre lang, von 1996 bis 2006, sind die Immobilienpreise immer nur gestiegen, und es gab in dieser Zeit viele ‚Experten‘, die eine nachhaltige Richtungsänderung der Immobilienpreisentwicklung für ausgeschlossen hielten.“

Die US-Banker trieben Leute zu fremdfinanzierten Eigenheimen, obwohl man bei ihnen damit rechnen musste, dass sie ihre Hypotheken niemals zurüczahlen würden. Und warum? Weil sich die baner einen starken Rückgang der Immobilienpreise gar nicht mehr vorstellen. Geschweige denn einen so drastischen Preisverfall, wie er sich dann ab 2007 einstellte.

Wie wir gesehen haben, gingen die Banken damit extrem assymmetrische Risiken ein. Das Verlustpotenzial war deutlich höher als das Gewinnpotenzial. Dass die Banken das gemacht haben, zeugt davon, dass die US-Banker irgendwann die Fähigkeit zu rationalen Risikoabschätzungen über Bord geworfen haben.

Menschlich ist das verständlich. Fast jeder Anleger tickt so. Die Aktienkurse müssen nur zwei Jahr in Folge gut gelaufen sein, dann versuchen alle möglichen Leute auf diesen Zug aufzuspringen. Und zwar mit dem Argument: Die Aktienkurse sind gestiegen, also werden sie noch weitersteigen. In der Weise ticken Privatanleger überall auf der Welt.

Traurig nur, dass auch sogenannte Experten genau so ticken.

Links zu früheren Blog-Beiträgen zum Thema Finanzkrise:

Weitere Links:

1 Kommentar
  1. Logik-Ratio
    Logik-Ratio sagte:

    Herzlichen Dank für Ihre umfassenden Erklärungen. Ergänzen möchte ich Ihre Schilderungen nur durch die Erwähnung folgender Praxis:

    Viele Hausbesitzer konnten den gestiegenen Wert ihrer Immobilien direkt in ihren Geldbeutel tranferieren – die Höhe der Hypothek wurde angepasst. War das Haus im Jahr 2004 200.000 $ teuer und erhöhte sich dieser Preis auf 220.000 $ im Jahr 2005 meldeten sich die netten Herren von den Hypothekenkreditvermittlungen und fragten an, ob wann die Hypothek nicht ebenfalls von 200.000 auf 220.000 $ erhöhen wollte.

    Diese 20.000 $ befeuerten den legendären US Konsum und ermöglichten den Kauf & Bau von Swimmingpools, Autos, Elektroartikel usw.

    Antworten

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert