42-15200880In der Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 19. Juni wurden drei Crash-Propheten befragt. Es antworteten Max Otte, Marc Faber und Roland Leuschel. Mich hat vor allem Max Otte interessiert, weil ich auch dessen Buch „Der Crash kommt“ gelesen habe.

Max Otte hat im Jahre 2006 sein Buch „Der Crash kommt“ veröffentlicht. Im damaligen Vorwort schrieb er:

„Können Sie sich vorstellen, dass

  1. die Inflation wieder auf zweistellige Raten ansteigt?
  2. die Sparvermögen der Lebensversicherungen innerhalb weniger Jahre entwertet werden?
  3. Sie amerikanischen Dollars, britische Pfund oder japanische Yen nur noch mittels staatlicher Genehmigung … erhalten?
  4. der Liter Normalbenzin drei, vier oder fünf Euro kostet?
  5. die Heizungs- und Energiekosten explodieren?
  6. Sie als ’normaler‘ Mieter Quadratmeterpreise von 20 oder 30 Euro zahlen müssen?
  7. es vielleicht gar keinen Euro mehr geben wird, sondern wieder nationale europäische Währungen?
  8. Sie Ihre geliebten Shrimps, die meistens aus Peru oder Thailand stammen, nicht mehr im Regal Ihres Supermarkes finden, weil sich das Angebot stärker auf europäische Waren konzentrieren muss? …
  9. der Staat in vielen Bereichen … seine Leistungen in einem heute überhaupt noch nicht diskutierbaren Ausmaß einschränken wird? [Durchnummerierung von mir]

… Wenn nicht, haben Sie wahrscheinlich wichtige Entwicklungen bislang nicht in Erwägung gezogen, die Ihre Lebensplanung massiv verändern können… Im ersten Teil [des Buches] erläutere ich, warum aus meiner Sicht die Krise eitnreten wird … Lesen Sie, warum die Krise kommen muss [meine Hervorhebung] … und bereiten Sie sich vor! Noch können Sie handeln.“

Max Otte schildert in seinem Vorwort von 2006 ziemlich genau, wie er sich die Krise vorstellt. Und in der aktuellen Neuauflage von 2009 schreibt er auf Seite 250: „Jetzt ist die Finanzkrise da.“ Nur: Ist wirklich das da, was Max Otte in 2006 vorhergesagt hat?

Wir können es doch einfach einmal überprüfen. Deswegen habe ich die Punkte oben durchnummeriert.

zu 1.) Ist die Inflation auf zweistellige Raten angestiegen, also über 10% p.a.? Nein. Sie ist derzeit so niedrig wie noch nie.

zu 2.) Sind Sparvermögen entwertet worden? Nein. Sind sie nicht. Gerade Fest- und Tagesgelder waren im letzten Jahr mit das einzige, was den Anlegern keine schlaflosen Nächte bereitete.

zu 3.) Können wir ausländische Währungen wie beispielsweise den US-Dollar nur mittels staatlicher Genehmigung erhalten? Nein. Wir bekommen alle Devisen ganz simpel wie eh und je am Bankschalter.

zu 4.) Kostet der Liter Benzin über drei Euro? Nein. Er ist im Zuge der Krise sogar stark gefallen (aktuell bei ca. 1,40 Euro, also weniger als die Hälfte als von Otte prognostiziert)

zu 5.) Sind die Energiekosten explodiert? Nein. Die Energiekosten sind insgesamt im letzten Jahr eher gefallen.

zu 6.) Sind die Mieten stark angestiegen? Nein.

zu 7.) Hat sich der Euro aufgelöst und sind wir wieder bei den vielen nationalen europäischen Währungen? Nein. Gerade im Gegenteil hat sich der Euro als Stabilitätsfaktor während der Krise entpuppt.

zu 8.) Müssen Sie auf Shrimps und andere ausländische Produkte verzichten, weil, wie Otte meint, der gesamte Welthandel zusammengebrochen ist? Nein.

zu 9.) Hat der Staat seine Leistungen stark eingeschränkt? Ein bisschen vielleicht, aber nicht dramatisch stark, wie von Otte prognostiziert.

Wir können also festhalten: Nicht eine einzige Prognose von Max Otte ist eingetreten. Das einzige womit er richtig lag, war der Titel seines Buches. Die Krise kommt. Ja, die Krise ist gekommen, aber überhaupt nicht, nicht einmal ansatzweise, so wie Max Otte vorhergesagt hat.

Bermerkenswert ist ja vor allem auch eines. Am Ende seines Buches gibt er Tipps, wie man sein Vermögen vor der Krise retten kann. Dabei empfiehlt er erstens Gold. OK, das ist ein Treffer.

Und dann rät er vor allem zu Aktien. Immer wieder spricht er von Aktien und wie sie auszuwählen sind. Aber das ist ja wirklich total falsch gewesen. Was im letzten Jahr mit am schlechtesten gegen die Krise geschützt hat, waren Aktien. Sowieso ist auffällig, wenn man die obigen neun Punkte durchgeht, die Max Otte für die große Krise aufzählt, dass in keinem einzigen Punkt von einem Kursverfall an den Aktienmärkten gesprochen wird.

Am Ende des Buches wird Otte sogar ganz konkret mit seinen Empfehlungen, wie man sein Vermögen vor der Krise retten kann. Hier ein paar Beispiele seiner Emfpehlungen zusammen mit der Rendite innerhalb der letzten 12 Monate:

  • Shareholder Value Beteiligungs AG (605996): -36%
  • Britisch Petroleum (850517): -19%
  • Devon Energy (925345): -41%
  • Max Ottes eigener Fonds (LI0034492384): -18%

Zugegebenermaßen findet man auch ein paar Fonds oder Aktien bei Otte, die tatsächlich in den letzten 12 Monaten gut oder nicht so schlecht gelaufen sind. Aber die große Mehrzahl seiner Empfehlungen endeten für Anleger, die genau vor einem Jahr auf ihn gehört hätten, mit einem gehörigen Minus.

Wenn man sich also Ottes Buch genauer ansieht, finde ich es geradezu lächerlich, wenn er heute als großer Crash-Prophet gefeiert wird, der Dinge richtig vorausgesagt hat. Im wesentlichen das einzige womit er recht hatte, war, dass eine Krise kommt. Aber so gut wie jedes Detail und insbesondere seine Empfehlungen, sich vor der Krise zu schützen, sind falsch.

Das ist etwa so wie bei einer Wahrsagerin, die einem großes Ungemach aus der Hand liest. Will man wissen, was genau einem zustoßen wird, dann spricht sie von einer schlimmen Krankheit, die einem in den nächsten Monaten heimsuchen wird.

Und dann passiert tatsächlich etwas Schlimmes, nämlich ein Autounfall. Ist es dann nicht absurd (geradeu lächerlich) zu behaupten, dass diese Wahrsagerin recht hatte?

Quelle der in diesem Beitrag verwendeten Bilder: http://office.microsoft.com/de-de/clipart

2 Kommentare
  1. Mex
    Mex sagte:

    Danke für Ihr Kommentar zu Max Otte. Sie haben recht, bisher liegt er mit seinen Einschätzungen grundlegend falsch..und der Goldpreis gibt auch wieder nach.

    Max Otte würde sicherlich argumentieren: „Warten Sie ab, wir stehen erst am Anfang der Krise, viele Punkte werden sich in Zukunft als richtig erweisen.“

    Nur die Sache ist, wir wissen es eben nicht.

    Hat sich eigendlich einer der Bloggleser auch schon mit dem Buch Crashkurs. Weltwirtschaftskrise oder Jahrhundertchance? Wie Sie das Beste aus Ihrem Geld machen von Dirk Müller beschäftigt?

    Ein schönes Wochenende allen Lesern!

    Antworten
    • peterreins
      peterreins sagte:

      Ottes Buch steht sowieso in einer seltsamen Spannung zwischen:
      1. So MUSS es kommen, und
      2. Vielleicht kommt es auch anders.
      Beides zusammen geht ja eigentlich nicht, findet man aber bei Otte ständig, manchmal nur ein paar Seiten voneinander entfernt.

      Z.B. heißt es am Ende des Vorwortes der Originalausgabe: „Lesen Sie, warum die Krise kommen muss…“. Und in demselben Vorwort schreibt er kurz vorher: „Ich möchte nicht mit Ängsten spielen [genau das tut er aber; mein Kommentar]. Krisenpropheten hat es schon immer gegeben. Manchmal lagen sie richti, oftmals aber falsch [also vielleicht auch er, mein Kommentar]. Aber die Krise wird dennoch kommen [also doch kein Vielleicht; mein Kommentar]. “

      Und weiter im Vorwort: „Krisen zu prognostizieren ist notorisch schwierig… Der … Ökonom Ravi Barra hatte für 1990 und dann noch einmal für 2000 eine große Depression prophezeit. Beide Male kam es anders. Paradoxerweise haben viele seiner Analysen dennoch bis heute Bestand …“

      Aha, da gab es schon mal einen Krisenpropheten, nämlich Ravi Barra (und es gibt noch sehr viele mehr). Und nach Max Otte hatte er recht mit seinen Begründungen und Analysen, aber (leider oder vielleicht Gott sei Dank?) lag er dennoch letztlich daneben.

      Max Otte sagt also: Man kann die richtigen Analysen haben und dennoch falsch liegen. Also, so müsste man schlussfolgern düfen, könnte ja auch er, Max Otte, möglicherweise, richtig argumentieren und die Krise dennoch ausbleiben. Aber nein. Das ist für Otte nicht denkbar. Die Krise MUSS kommen.

      Nur, wie gesagt, das genau, was er vorhergesagt hat, die Details der Krise, die er in seindem Buch beschrieben hat, sind alle nicht eingetreten. Da liegt er sogar weit über 50% daneben. Eigentlich eine schlechte Trefferquote (was sich wieder mit dem Experiment von Prof. Törngren deckt).

      Noch ein anderer Vergleich. Nehmen wir an ein Mann geht zu einem Arzt. Und der Arzt sagt ihm, dass er sich auf eine schwere Krankheit einstellen müsse. Seine Blutwerte sind so schlecht, dass er sich auf ein Problem mit der Leber vorbereiten müsse. Nach ein paar Wochen liegt der Mann tatsächlich schwer krank im Bett, aber nicht wegen der Leber, sondern wegen eines Herzinfarktes. Ist es dann nicht lächerlich, wenn der Arzt dann sagt: „sehen Sie, ich wusste ja, dass sie schwer krank werden.“? – Genau das tut Max Otte.

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